Ritual
Ein neues Jahr beginnt und wir blicken zurück zu dem Vergangenen. An 2021 habe ich nicht nur gute Erinnerungen. Es war geprägt von Sorgen, Ängsten, Versagen, Verlusten und vielen Kämpfen. Vor einigen Tagen besuchte ich ein Coaching. Der Mediator zeigte mir und den anderen der Gruppe zu reflektieren, das Gute hervorzuheben und das Negative auf seinen Platz in der hintersten Ecke zu verweisen. Zum Abschluss sollten wir alles auf einen Zettel schreiben, von dem wir uns trennen sollten und was wir im neuen Jahr nicht mehr wollten. Danach wurden die Zettel in einer Zeremonie in einem Feuerkorb verbrannt. Mein Zettel war hartnäckig, er flog neben den Feuerkorb. Ein Teilnehmer hob ihn auf und warf ihn für mich ins Feuer. So half mir ein Fremder meinen alten Ballast des vergangenen Jahres zu verbrennen. Mein Coach – der den Vorgang beobachtete – meinte „mit dem Loslassen, das klappt noch nicht so ganz“.
Innere Ruhe
Vor einigen Jahren fasste ich den Entschluss, ThaiChi zu erlernen. Meinen Mann Michael konnte ich auch dazu begeistern. Wir buchten einen Kurs beim Besten der Besten, einem charismatischen Lehrmeister, der uns zunächst eine Yangform näherbrachte. Er beendete die Vorführung mit dem Satz: “Und heute sind war am Ende dieses Ganges.” Ich fragte den Meister leise: “Geht das auch schneller?” Wir brachen in schallendes Gelächter aus. Pieter – unser Lehrer – legte seine Hand auf meine Schulter und sagte in liebevollem Ton: “Magrit, ich glaube, das ist nichts für Dich!”
Für meinen Mann wurde es eine große Bereicherung. Er erlernte mit viel Freude die Fächer – und Stockform und ich sah ich ihn oft morgens in der Frühe im Garten mit seinen Übungen. Er wirkte glücklich und gelöst, als würde er schweben.
Potzblitz
Nachdem ich festgestellt hatte, daß ThaiChi und ich nicht zusammen passen, versuchte ich es mit rudern. Ich schloß mich 3 tollen Frauen an. Gemeinsam ruderten wir im Gleichklang und hatten jede Menge Spaß. Wir lästerten gerne dabei über unsere Männer und Männer im allgemeinen.
Ein Erlebnis auf dem Wasser hatte selbst mich total überrascht. Das ich so gar nichts mit Ritualen am Hut habe stimmt dann doch nicht so ganz. Dazu gibt es folgende Geschichte: ein lieber Mensch war verstorben, dem ich viel zu verdanken hatte. Er wohnte in einem Haus nahe der Saar. Da unsere Ruderstrecke Saar abwärts an seinem Haus vorbei führte, hatte ich die Idee, ihm einen letzten Gruß zu senden. Ich schrieb ihm einen Brief mit allem was mir wichtig war, den ich zu einem Papierboot faltete und zum Abschied auf Wasser lies. Dann geschah etwas unglaubliches. Genau in dem Moment, als das kleine Papierboot Kurs auf das Wohnhaus nahm, krachte es plötzlich, ein heller Blitz gefolgt von lautem Donner ließ mich erzittern. Gibt es das? Die Situation war unfassbar und mir fehlen noch heute die Worte.
Mit dieser Erfahrung werde ich heute – an Silvester – eine neue Zusammenfassung von all dem was ich loslassen will auf einen Zettel schreiben und dann eigenhändig in ein Feuer werfen. Damit werde ich alles Belastende den reinigenden Flammen übergeben und mit einem neuen, weißen Blatt Papier, ohne Belastendes, ins neue Jahr starten.